Audrey II ist auf den ersten Blick eine putzige Pflanze, doch in Wahrheit eine „Mean Green Mother from Outer Space“, die verschlingen und die Weltherrschaft an sich reißen will. Wenn das doch nur die Nachbarschaft des Skid-Row-Slums ahnen täte… Der SciFi-Horror-Musical-Überraschungserfolg des Jahres 1982 wurde 1986 spektakulär verfilmt mit zwei Enden, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Moin zusammen,
Schön dass diesem Film so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird wie er verdient. Es muss um 1996 gewesen sein als ich ihn auf VHS entdeckte. Beim „Quelle Technorama“ in Berlin hatte ich mir einen sauteuren Videorekorder mit 4-Kanal-Ton gekauft, meine HiFi-Anlage angeschlossen, dazu zwei Boxen für den Ton „von hinten“ und war von dem Film begeistert. Wie alle machte mich die plötzlich sprechende Pflanze „sprachlos“. Ich konnte nur denken „wie geht DAS denn?“ Dazu die wundervolle Musik und so toll gesungen! Im Kino war das irgendwie an mir vorbei gegangen, weil ich wohl dachte „ach, jetzt haben die den Schwarzweißfilm in neu gemacht“. Wie schade! Zusammengezuckt durch Erschrecken bin ich als das Motorrad des Zahnarztes durch mein Wohnzimmer flog, der 4-Kanal-Ton hat funktioniert, auch als Seymour das Wandregal ruiniert, scheppern im Hintergrund einige Scherben, toll! Als ich kurz darauf Besuch von meinen Eltern bekam schauten wir den Film, sie erschreckten sich an eben dieser Stelle und waren ebenso begeistert. Dass diese Kinoversion ein neues „Happy Ending“ verpasst bekommen hatte ahnten wir nicht. Meine Mutter: „Ach, die Kleene ist so süß“, sie meinte natürlich Audrey.
Fluss der Handlung, die Kulissen, der Cast, Qualität von Musik und Gesang, das hatte mich voll gefangen und ich hatte den Film mehrfach geguckt, weil er toll unterhält, immer wieder. Die obszöne Maso-Wurzelbehandlung fand ich extrem progressiv und mutig, denn hier wird quasi ein Fetisch thematisiert und schwule Vibes sowieso.
Die Weltbeherrschung einer „mean mother from outer space“ durch Einschleppen einer Alien-Spezies wurde zum Klassiker. Bei Star Trek gelingt es durch technische Überlegenheit immer die Alienviren zu besiegen, aber was wenn nicht? Was wenn wir eines fernen Tages tatsächlich absichtlich oder versehentlich Exo-Mikroorganismen einschleppen die auf Terra keinen natürlichen Fressfeind finden, die irdische Biosphäre als Ganzes dem Eindringling hilflos zum Opfer fällt? Nachvollziehbar, dass diese düstere Version beim Testpublikum nicht so gut abschnitt. Auch ich habe wir gewünscht dass das Happy Ending im Tupperware-Pastellbunker real wird und man der Skid Row entflieht. Vermutlich wären die sozialen Beziehungen innerhalb der Skid Row aber immer gesünder gewesen…Herrlich böse fand ich auch den Style des fiktiven Nachwuchses von Audrey und Seymour.
Erst durch Euch habe ich von dem Original-Ende erfahren. Danke! Es wäre sonst wohl auf ewig an mir vorbei gegangen! Sogleich bestellt für nur 4,92 EUR bei Jeffs Videothek. Das Cover ist wirklich trist, Euer Filmplakat transportiert viel mehr chillende Vorahnungen. Ihr habt die Programmieeung der DVD benannt, die nach der Szene mit dem Laden-Einsturz jeweils das eine oder andere Ende anfügt.
Wäre das nicht mal ein „Special“ wert im Rahmen physischer Medien / Datenträger? Es wundert mich lange schon wie unterschiedlich ausgeprägt und komfortabel die DVD/BluRay-Menüs ausgelegt sind. Manche lassen aus dem laufenden Film heraus gar keinen Sprung ins Menü zu, so dass man komplett raus muss und der Film von vorn startet, bei anderen lässt sich dagegen während des Play Mode das Menü einblenden, Sprache oder Untertitel ändern. Ist dieses ein mehr oder minder ausgeprägter Datensatz der beim Einlesen des Mediums quasi in den Arbeitsspeicher des Players geht? Ist es eine Kostenfrage der Produktion?
Nach technischem Abschwiff muss ich jedoch noch ein bisschen jubeln, denn der Film ist einfach großartig aus den schon erwähnten Gründen, und er würde sicher viele Jüngere begeistern die leider häufig nur jene Filme konsumieren die zu ihrer Lebenszeit entstanden und gar nicht wissen was ihnen entgeht. Die Wiederentdeckung des düsteren Endes macht das Werk noch viel spannender.
Die grundsätzliche Idee, dass intelligente Pflanzen uns angreifen, findet sich auch im SciFi-Klassiker “ The Day of the Triffids“ von 1951. Ich hatte beim Horrorladen immer das Gefühl, der Autor kannte das Buch und erkannte aber auch das komische Potential, das da schlummerte.
Danke für Eure Besprechung. Ich wusste zwar viel über Musical und Film, aber da waren jetzt einige Aspekte, die mir so nicht bewusst waren.
Ich selbst kann damit genau bei einer Schulaufführung in Berührung.
Was mich immer etwas gewurmt hat, war die Darstellung des Muschnik im Musical als selbstsüchtiger Jude (vermutlich eines Auswanderers aus Deutschland, nach einigen der Füllwörter, die er benutzt). Da entstanden bei mir so Vibes von Ferengies und Gringot-Kobolden.
Allerdings ist der Komponist Alan Menken selbst jüdischer Abstammung (und sein Vater war Zahnarzt), was es doch etwas relativiert (imho) und in dem Stück bleibt ja fast keiner frei von Bösartigkeiten.
Alan Menke war dann auch in den Jahren nach dem Erfolg der Go-to-Komponist für Disney-Zeichentrick-Musicalfilme.
Zum bösen Ende: Auf Audreys Tod wird im Musical dezent hingearbeitet, wenn sie singt: „Somewhere that’s green.“, wo sie ja schlussendlich landet als Pflanze. Das ist zwar keine besonders zwingende Vorwegnahme, zeigt aber auch hier, wie viele Fäden der Librettist und der Komponist durch das ganze Stück fein gesponnen haben.
Toll war auch euer herausarbeiten des Themas „Schuld“, was ich auch als ganz starken Aspekt des Musicals empfand.
Vielen Dank euch nochmal.